"Ich bin liberal, also gegen jeden Zwang, also gegen die Wehrpflicht". Leider falsch.
Veröffentlicht am 31.08.2013 von Marc Bourgeois | 1 Kommentar(e)
"Ich bin liberal, also gegen jeden Zwang, also gegen die Wehrpflicht."
Leider falsch. Korrekt wäre allenfalls:
"Ich bin libertär, also gegen jeden Zwang, also gegen die Wehrpflicht. Und die Steuerpflicht. Und Gesetze. Und Gefängnisse. Und und und..."
Dazu eine Unterscheidung in aller Kürze (auch wenn beide Begriffe aus historischen Gründen nicht völlig einheitlich verwendet werden):
Libertarismus
Jedes Individuum das Recht dazu, das zu tun, was immer es möchte, solange dadurch die Freiheit anderer Individuen nicht verletzt wird.
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Liberalismus (bspw. nach John Stuart Mill)
Der einzige Grund, aus dem die Menschheit, einzeln oder vereint, sich in die Handlungsfreiheit eines ihrer Mitglieder einzumischen befugt ist, ist sich selbst zu schützen. Der einzige Zweck, um dessentwillen man Zwang gegen den Willen eines Mitglieds einer zivilisierten Gesellschaft rechtmässig ausüben darf, ist, die Schädigung anderer zu verhüten.
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Ein streng ausgelegter Libertarismus wird konsequenterweise jeden Zwang, also auch Gesetze, Gefängnisse, die Steuerpflicht usw. ablehnen. Und damit natürlich auch die Wehrpflicht. Wenig überraschend deshalb: Der Ausdruck "libertär" dient auch das Adjektiv für "Anarchismus". Wie eine solche Gesellschaft aussehen würde, kann sich jeder selbst ausmalen.
Der Liberalismus dagegen erkennt, dass es – klar begrenzte – übergeordnete gesellschaftliche Interessen gibt, die eine Beschränkung der Freiheit des Individuums rechtfertigen können. John Stuart Mill nennt sogar explizit, dass die Freiheit des Individuums beschränkt werden darf, um die Gesellschaft als Ganzes zu schützen. Womit wir bei der Wehrpflicht sind.
Die Wehrpflicht ist unter liberalen Gesichtspunkten aber nicht nur zulässig, sie ist je den Umständen in einer konkreten Nation aus liberaler Sicht sogar zwingend. Denn Liberale fordern einen schlanken, aber wirksamen Staat. Einen Staat, der sich auf Kernaufgaben insbesondere im Bereich der öffentlichen Güter (zu denen auch die Sicherheit zählt) konzentriert. Und der zur Erfüllung dieser Aufgaben das jeweils effizienteste Mittel einsetzt.
Nun ist es nicht völlig abwegig, dass in einem friedlichen, bündnisfreien Land ein Wehrpflichtmodell mit minimalem stehendem Heer und maximaler Mobilisierungskraft (ich vermeide den belasteten Begriff der Aufwuchsfähigkeit) die effizientere und damit liberalere Problemlösung ist. Dagegen ist es aber ausgeschlossen, dass mit der Vorlage, über die wir abstimmen, überhaupt eine Armee betrieben werden kann. Dieses Modell testen wir nämlich schon lange – bei den Frauen. Es melden sich gut 100 jährlich. Reicht halt nicht ganz für eine Armee...
Deshalb stimme ich am 22. September aus liberaler Überzeugung NEIN zur Volksinitiative "Ja zur Aufhebung der Wehrpflicht".
Und damit JA zur Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung.
Marc Bourgeois
Gemeinderat FDP Stadt Zürich
Mitglied der Polizei- und Verkehrskommission