Bewaffnete Stadtpolizisten als Demonstrationsteilnehmer.
Veröffentlicht am 22.12.2010 von endurit gmbh | 4 Kommentar(e)
Die Zürcher Stadtpolizei wirft rechtsstaatliche Prinzipien über Bord und nimmt als Teilnehmer bewaffnet und in Uniform an Demonstration teil.
Rund 500 Personen haben am Mittwochmittag vor dem Zürcher Rathaus gegen mögliche Sparmassnahmen beim städtischen Personal protestiert. An der Demonstration auf der Gemüsebrücke und dem Limmatquai nahmen zu einem wesentlichen Teil uniformierte und bewaffnete PolizistInnen teil. In exakt demselben Outfit waren auch PolizistInnen zur Aufrechterhaltung der Ordnung vor Ort. Eine Unterscheidung war nicht möglich.
Was wäre geschehen, wenn die Lage – etwa aufgrund der gezielten Provokation der eintreffenden Gemeinderäte durch die Demonstrierenden – eskaliert wäre? Wir würden in der Stadt nicht "Räuber und Poli", sondern "Poli und Poli" spielen. Mit bewaffneten PolizistInnen.
Die Teilnahme uniformierter, bewaffneter Inhaber des staatlichen Gewaltmonopols (Soldaten, Polizisten) an Demonstrationen kennt man sonst nur aus Staaten ohne entwickelte demokratische Kultur. Sie ist staatspolitisch und rechtsstaatlich untragbar. Auch in unserer Armee verbietet das Dienstreglement solche Aktionen klar.
Aus diesem Grund habe ich heute die folgende schriftliche Anfrage an den Stadtrat gestellt:
Schriftliche Anfrage
Am 8. Dezember 2010 demonstrierten rund 500 Personen – Mitglieder des städtischen Personals und Gewerkschaften – während rund zwei Stunden vor dem Zürcher Rathaus. Unter den Demonstranten befanden sich – wie auch in der Presse berichtet – gut 100 uniformierte Stadtpolizisten. Welche dieser Polizisten im Dienst und somit für Sicherheit, Verkehr usw. verantwortlich waren, und welche der Polizisten Demonstranten waren, war nicht erkennbar.
Beim Staat liegt das Gewaltmonopol, und die Polizei stellt das primäre Ausführungsorgan dar. Insbesondere die Uniform symbolisiert die Funktion ihres Trägers und dessen Zugehörigkeit zum Korps der Stadtpolizei. Der Bürger muss darauf vertrauen können, dass ein Polizist in Uniform als Exekutivorgan des staatlichen Gewaltmonopols mit besonderen Rechten und Pflichten und nicht als politisierende Privatperson auftritt. Abklärungen in anderen Polizeikorps haben zudem ergeben, dass der Auftritt von Polizisten in Uniform an politischen Kundgebungen äusserst ungewöhnlich ist und kaum bewilligt wird.
Gerade bei politischen Kundgebungen sind in Zürich unfriedliche Szenen häufig anzutreffen. Die besagte Demonstration ist – trotz Provokation der Ratsmitglieder – friedlich verlaufen. Es ist offensichtlich verantwortungslos, solche unklaren und unübersichtlichen Situationen zu riskieren. Gerade der nicht mehr erkennbare Unterschied zwischen Kundgebungsteilnehmern und der Ordnungsmacht Polizei, die an Demonstrationen in aller Regel zugegen ist, legt die Sicherheitsproblematik offen dar.
In diesem Zusammenhang bitten wir den Stadtrat um die Beantwortung der folgenden Fragen. Bitte nennen Sie bei den einzelnen Teilantworten die relevanten Rechtsgrundlagen bzw. Entscheide:
- Ist es Stadtpolizisten grundsätzlich erlaubt, in Uniform an Demonstrationen teilzunehmen?
- Wie wird diese Frage in anderen Kantonen gehandhabt?
- War es am 8. Dezember 2010 uniformierten Stadtpolizisten erlaubt, an der Demonstration vor dem Rathaus teilzunehmen?
- Waren die betreffenden Polizisten zu dieser Zeit im Dienst?
- Falls eine Erlaubnis erteilt wurde, welche Stelle bzw. Person hat die Bewilligung erteilt?
- Waren die an der Kundgebung demonstrierenden Polizisten mit Mitteln zur Anwendung von Zwangsmassnahmen (Handschellen, Polizeimehrzweckstock, Reizspray, Waffe) ausgerüstet und wie hätten sie diese bei Bedarf einsetzen dürfen?
- Wie beurteilen Sie aus rechtlicher und staatspolitischer Sicht den Umstand, dass die Polizei Demonstrationen bewilligt, deren Teilnehmer sie zu einem wesentlichen Teil selber stellt?
- Wie können die Bürgerinnen und Bürger in Zukunft erkennen, ob ein uniformierter Polizist als Teilnehmer oder Ordnungshüter an einer Kundgebung teilnimmt?
- In welcher Form übernimmt der Stadtrat die Verantwortung, wenn sich bei künftigen Demonstrationen identisch uniformierte Polizisten unter den Demonstranten wie auch unter den Ordnungshütern befinden und die Lage ausser Kontrolle gerät?
- Welche Konsequenzen zieht der Stadtrat aus den Vorkommnissen vom 8. Dezember 2010? Sind konkrete Massnahmen geplant? Welche?
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Der Stadtrat hat drei Monate Zeit, die Anfrage zu beantworten. Die Antwort wird hier publiziert werden.