Würden Sie am Gotthard mal schnell eine Spur abbauen?
Veröffentlicht am 03.07.2012 von endurit gmbh | 0 Kommentar(e)
Auf dem Zürcher Utoquai verkehren täglich rund doppelt so viele Fahrzeuge wie im Gotthard-Strassentunnel. Der Berufs- und Gewerbeverkehr staut sich auf dieser einzigen seequerenden Strassenverbindung des Kantons Zürich Tag für Tag auf einer Länge von über einem halben Kilometer, was immense volkswirtschaftliche Kosten zur Folge hat. Trotzdem will die grüne Stadträtin Ruth Genner just dort eine Spur abbauen – und verrechnet sich dabei völlig.
Das Tiefbaudepartement beharrt auch an ihrer jüngsten Medienkonferenz darauf, dass der Spurabbau am Utoquai, der bekanntlich trotz gegenteiliger Beteuerungen anlässlich einer Volksabstimmung in das Projekt „Sechseläutenplatz“ hineingeschmuggelt wurde, keine negativen Auswirkungen auf den Verkehr habe. Tatsächlich erscheint der Utoquai-Abschnitt zwischen der Falkenstrasse und der Schoeckstrasse kaum je überstaut zu sein. Das ist technisch auch gar nicht möglich, weil Stausensoren in diesem Pufferabschnitt dafür sorgen, dass der Verkehr bereits bei der Zufahrt auf Höhe Falkenstrasse gestaut wird.
Zusammen mit der FDP der Stadt Zürich widerspreche ich der Darstellung des Tiefbaudepartements zur Kapazitätsentwicklung dieser Verkehrsachse energisch und begründe dies unter anderem mit folgenden Überlegungen:
1. Dienstabteilung Verkehr der Stadt Zürich bestätigt Kapazitätsreduktion
In einer Studie vom 19.11.2009[1], auf das sich mangels anderweitiger Studien auch das TED beruft, hält die DAV fest, dass mit dem geplanten Projekt
- im Knoten Utoquai/Gottfried Keller Strasse ohne Anpassungen der Lichtsignalanlagen ein Kapazitätsdefizit von rund 30% (400 Fahrzeuge/h von total 1400 Fahrzeugen/h),
- am Knoten Utoquai/Falkenstrasse eines von 7% (100 Fahrzeuge/h von total 1350 Fahrzeugen/h) und
- am Knoten Utoquai/Schoeckstrasse eines von rund 14% (50 Fahrzeuge/h von total 350 Fahrzeugen/h) entsteht.
Dies, nachdem der Verkehr an den Zufahrten bereits heute um 10% gedrosselt wird, was alleine schon zur Rückstaus von rund einem halben Kilometer Länge führt (Quelle aller Zahlen: DAV).
Diese unbestrittene Kapazitätsreduktion soll nun mit einer Anpassung der Lichtsignalsteuerung aufgefangen werden. Auf gut Deutsch: Die Grünzeiten für Fussgänger müssen bei all diesen stark frequentierten Fussgängerstreifen erheblich verkürzt werden. Dies kann nicht mit häufigeren Grünzeiten kompensiert werden, da das Bellevue durch den ÖV auf 45/90 Sekunden „getaktet“ ist. Der Spurabbau geht somit in jedem Fall zu Lasten der Fussgänger – die Zugänglichkeit des Seeufers wird weiter erschwert. Das ist genau das Gegenteil dessen, was die Stadtregierung im „Leitbild Seebecken“ verspricht.
2. Fatale Kettenreaktion bei Überstauung der Abbiegespur
Das TED hält überdies immer wieder fest, dass die Rämistrasse in Richtung Kunsthaus sowie der Knoten Utoquai/Quaibrücke (Querung der Tramlinien am Bellevue) leistungsbestimmend sind. Die leistungsbestimmenden Knoten sind aber nicht naturgegeben, sondern können sich beim Bilden eines neuen Engpasses nach hinten verschieben, was eine Kapazitätsreduktion zur Folge hat. Sollte die Spurreduktion wie geplant umgesetzt werden, so würde der Puffer für die rechts in Richtung Rämistrasse Abbiegenden von rund 350 m (vor Beginn der Bauarbeiten) auf rund 100 m zusammenschrumpfen, was einer Reduktion um rund 70% entspricht. Im verbleibenden Puffer könnten auf der rechten Spur gerade noch rund 15 Fahrzeuge Platz finden. Das Tiefbaudepartement hat aber in einer kommissionsinternen Antwort vom 11.01.2012 selber geschrieben: „Heute [also im Provisorium und noch vor dem Spurabbau] haben wir eine Doppelspur von 45m Länge und eine Einspurigkeit von 70m. Da könnten sich in der heutigen Situation 27 Personenwagen [gemeint: aufstellen]. In der Realität sind es ca. 20 Fahrzeuge“ – und somit mehr als die maximal möglichen 15 Fahrzeuge.
Nun reicht aber ein einziges Fahrzeug, das nicht mehr in diese Abbiegespur passt, um die mittlere Spur in Richtung Quaibrücke faktisch zu blockieren. Sobald dies auch nur ein einziges Mal auftritt, löst dies aufgrund der automatischen Staumelder einen Teufelskreis aus – die Kapazität der seequerenden Verbindung wird faktisch halbiert und der ganze Verkehr auf dem Utoquai kollabiert. Der Grund liegt darin, dass am Knoten Utoquai/Falkenstrasse auch zu Spitzenstunden nur gerade so viele Fahrzeuge durchgelassen werden, wie vom nächsten Puffer, der Lichtsignalanlage auf Höhe Schoeckstrasse, bewältigt werden können. Überstaut dieser Puffer, so verkürzen sich die Grünzeiten des Knoten Utoquai/Falkenstrasse aufgrund in der Strasse eingebauter Staumelder, was zu einer verstärkten Staubildung führt. Das Problem liegt also nicht darin, dass die Fahrzeuge in Richtung Rämistrasse zu wenig Platz haben, sondern dass diese den in Richtung Quaibrücke fahrenden Verkehr blockieren können. Die Argumentation des TED zielt deshalb in die völlig falsche Richtung.
Spurabbau am Utoquai ist erst der Anfang
Dabei ist der geplante Spurabbau erst der Anfang: Im Rahmen der Sanierung des Bellevue sollen mindestens zwei weitere Spuren verschwinden:
- So soll insbesondere die von der Quaibrücke her kommende, zweispurige Zufahrt zur Schoeckstrasse ebenfalls auf eine Spur reduziert werden. Dies, ohne dass Platz für Fussgänger gewonnen würde und obwohl der dortige Fussgängerstreifen und die angrenzenden ÖV-Linien schon heute regelmässig von Fahrzeugen überstellt sind.
- Ein weiterer Spurabbau ist an der „Riviera“ geplant.
- Und zuletzt sinniert das TED gemäss unseren Informationen über eine einspurige Führung der Falkenstrasse zwischen der Mühlebachstrasse und der Seefeldstrasse.
Und dies alles, ohne dem Verkehr Alternativen zu bieten.
Anwohner, Fussgänger und Gewerbe als Leidtragende
Jede Kapazitätsreduktion an diesem sensiblen Knoten führt aber zu einer weiteren Verlängerung des Staus auf dem Utoquai. Und jede Verlängerung dieses Staus führt zu noch mehr Schleich- und weiträumigen Ausweichverkehr durch Wohnquartiere. In der Summe leiden die Anwohner unter mehr Verkehr, die Fussgänger unter reduzierten Grünzeiten und das Gewerbe unter weiter erschwerten Verkehrsbedingungen.
Verkehrsinfarkt erwünscht?
Der Spurabbau hat offensichtlich System. Und lässt nur einen Schluss zu: Der Verkehrsinfarkt um das Seebecken wird nicht nur hingenommen, er ist sogar erwünscht. Berufe und Gewerbe, die auf das Auto angewiesen sind, sind in dieser Stadt nicht mehr erwünscht und sollen vergrämt werden. Offensichtlich hat Stadträtin Ruth Genner noch nicht realisiert, dass sie nicht mehr Präsidentin der Grünen Schweiz ist und als solche ideologische Extrempositionen durchboxen kann, sondern als Stadträtin der Schweizer Wirtschaftsmetropole verantwortlich ist für ein möglichst reibungsloses Vorwärtskommen aller Verkehrsteilnehmer in dieser Stadt. Dabei ist sie bereit, zur Durchsetzung ihrer ideologischen Mission auch zu Mitteln zu greifen, die eine demokratische Entscheidungsfindung verunmöglichen, wie etwa der problematische Umgang mit Informationen gegenüber Kommission, Gemeinderat und Volk sowie die nachträgliche Abänderung von Gestaltungsplänen.
FDP setzt sich für konstruktive Lösungen zu Gunsten aller Verkehrsteilnehmer ein
Auch die FDP der Stadt Zürich stört sich an der Verkehrslawine rund um das Seebecken. Und fordert deshalb mit ihrer jüngsten Motion zur Halbierung des Verkehrs an der Oberfläche (GR-Nr. 2012/234) eine konstruktive Lösung, welche das Seebecken für alle Nutzer wirklich aufwertet und Autofahrern zugleich eine Alternative bietet. Und nebenbei bemerkt beim Utoquai den Abbau von gleich drei Spuren ermöglichen würde. Im Interesse der ganzen Stadtbevölkerung.
[1] Stadt Zürich, Dienstabteilung Verkehr, Vorprojekt Sechseläutenplatz/Theaterplatz/Schillerstrasse/ Theaterstrasse/Schoeckstrasse/Utoquai: Kapazität und Verkehrsablauf, 19. November 2009