Marc Bourgeois
Marc Bourgeois
Kantonsrat FDP Zürich 7+8

Bis Ende April arbeiten Sie nur für den Staat.

Veröffentlicht am 01.03.2011 von endurit gmbh | 7 Kommentar(e)

Und finanzieren damit wenigen Auserwählten eine neue 4½-Zimmer-Wohnung am See für 1'720 Franken.

Als Mieter spüre ich die Dynamik im Wohnungsmarkt am eigenen Leibe. Nach langen Jahren im Seefeld musste ich dieses schöne Quartier verlassen. Ursache für den Druck auf die Mietpreise: Mehr Menschen wollen mehr Raum bewohnen, die Nachfrage wächst schneller als das Angebot, und so steigen die Preise.

Jeder vernünftige Mensch würde einem solchen Nachfrageüberhang mit einer Angebotssteigerung begegnen. Nicht so die Linke: Sie tut, was sie immer tut, nämlich das Problem mit viel Geld zuzuschütten. Mit dem Geld anderer selbstverständlich. Anstatt die Symptome zu bekämpfen und Neubauten zu erleichtern, will die Linke neu 33% (bisher 25%) aller Wohnungen direkt oder indirekt subventionieren. Um dies zu erreichen, müsste die Stadt massiv Liegenschaften aufkaufen. Geschätzter Kostenpunkt: 40 Mrd. Franken.

Was das bedeutet, zeigt die geplante kommunale Wohnsiedlung an der Bellerivestrasse beispielhaft: Von den rund 110 Wohnungen soll ein Drittel subventioniert werden. Einige Glückliche kommen so zur eingangs erwähnten Traumwohnung zum Schnäppchenpreis. Die Übrigen dürfen mitzahlen. Kostenpunkt: 70 Mio. Franken.

Damit beweist die Linke einmal mehr, dass sie keinen Schimmer von wirtschaftlichen Vorgängen hat. Denn wenn 33% der Wohnungen in der Stadt unter Preis vermietet werden, so tritt das Gegenteil des gewünschten Effekts ein: Die niedrigen Preise locken noch mehr Menschen in die Stadt, der Preisdruck im nicht subventionierten Restmarkt steigt weiter, die Schlangen bei Wohnungsbesichtigungen werden noch länger. Der Mittelstand bezahlt dabei gleich doppelt: zum einen den Beitrag an die Wohnungen des glücklichen, subventionierten Drittels, und zum anderen selber eine höhere Miete.

Die Linke zeigt aber auch, dass ihr an einem effizienten Mitteleinsatz nicht gelegen ist. Anstatt subventionierte Wohnungen auf wertvollem Boden am Zürichsee zu erstellen, könnte man das Land im Baurecht vergeben und mit dem (hohen) Ertrag in einem anderen Quartier ein Mehrfaches an Wohnungen subventionieren.

Wenn dann aber Private Wohnraum schaffen wollen, herrscht in der Stadt Willkür. So hat die Schönheitskommission (Bausektion) unter SP-Stadtrat Odermatt kürzlich 35 neue Wohnungen beim Klusplatz verhindert. Begründung: die Gebäudeform wirke „unregelmässig und zufällig“. Obwohl der Bau gesetzeskonform war, mehr und energiefreundlichere Wohnungen gebracht hätte und selbst der Nachbarschaft gefiel. Und all das, ohne den Steuerzahler zu belasten. Aber vielleicht war genau dies das Problem?

Mit ihren sozialistischen, rückwärtsgewandten Ansätzen im Wohnungsmarkt macht die SP ihrem weltfremden Parteiprogramm alle Ehre.
 

Kommentare
Marc Bourgeois
@ "Chli überlegä": Richtig, und das soll auch so sein. Aber Sie werden es nicht glauben: Das hatten wir auch, als wir noch zwei Monate für den Staat gearbeitet haben. Daneben gibt es aber viele "Staatsaufgaben", die eigentlich keine sind und die vor allem den Mittelstand mehr und mehr belasten. Wünschen Sie sich eine Entwicklung wie in den übrigen EU-Ländern, den USA oder Japan, die aufgrund ihrer Rekordverschuldung oder erdrückenden Steuern kaum mehr handlungsfähig sind und - weil eben viel Unnötiges gemacht wird - kaum mehr die von Ihnen erwähnten Basisdienstleistungen sicherstellen können?
16.03.2011 17:15:12
Chli überlegä
Und 365 Tage im Jahr haben wir eine funktionierende Müllabfuhr, Polizei, Rettungsdienst, Feuerwehr, Abwasser, Strom, usw. und die FDPler haben das Gefühl das sei alles gratis.
16.03.2011 16:45:48
Marc Bourgeois
Sehr geehrter Herr Gubler


Danke für Ihre Antwort. Da muss ich wohl einiges richtigstellen:


1. Wohnbaupolitik ist ein kommunales Problem - und da kann von bürgerlicher Mehrheit nicht die Rede sein. Ein analoges Problem existiert im Kanton nicht (was aber nicht der bürgerlichen Mehrheit zu verdanken ist, sondern der geringeren Nachfrage). SP-Kantonsrat Rahael Golta schreibt dazu: "Die Mieten werden immer teurer, weil ein immer grösserer Teil des Bodens allein renditeorientierten Besitzern wie Immobilienfonds und -gesellschaften gehört." Das zeigt, wie wenig
Ahnung die Linke vom Markt hat. Ist er nie auf den Gedanken gekommen, dass die Preise steigen, weil die Nachfrage grösser als das Angebot ist und die Preise deshalb bezahlt werden? Würden die Preise künstlich tief gehalten, wie die SP das will, würde der Druck auf die Stadt Zürich noch weiter zunehmen. Es würden mehr Mieter hier wohnen wollen, und es würden weniger Wohnungen gebaut. Wirklich eine tolle Lösung.


2. Sie haben ein idyllisches Bild von staatlichen Vorgängen. Ich erlebe im Gemeinderat - selbst in Kommissionen -, dass es kaum möglich ist, korrekte und unvoreingenommene Informationen aus der Verwaltung zu erhalten. Die Verwaltung sieht den Gemeinderat als notwendiges Übel, übergeht ihn aber bei jeder Gelegenheit. Ich erkenne zumindest auf kommunaler und kantonaler Ebene kaum eine "Classe Politique", wie von Ihnen angeführt, im Gegenteil. Ich erkenne aber einen erheblichen Graben zwischen Politik und Verwaltung.


3. Der Staat mach sehr wohl Dinge, die nicht direktdemokratisch gesteuert sind. So bestehen auf kantonaler und städtischer Ebene Richtlinien für den Bau von Kinderhorten. Jene des Kantons haben auf wenigen Seiten Platz und genügen für die meisten Gemeinden, aber nicht für Zürich. Dort hat dasselbe Papier den sechsfachen Umfang. So kommt es, dass die Erstellung von Kinderhorten in der Stadt ein Mehrfaches wie in den Gemeinden kosten. Es ist aber nicht Aufgabe der Politik, solch operativen Dokumente zu erstellen - sie entstehen in der Verwaltung.


4. Ich glaube kaum, dass sich die Linke mit der Bezeichnung "Sozialismus" verunglimpft fühlt. Immerhin hat sie jüngst bekräftigt, dass sie unser bewährtes Wirtschaftssystem weiterhin "überwinden" will. Hingegen verunglimpfen Sie mich und die FDP mit dem Begriff "Nachtwächterstaat". Ein Staat, der einen Drittel des BIP für sich beansprucht, ist fern von jedem Nachtwächterstaat. Die Linke möchte diesen Anteil noch weiter ausbauen - die FDP, und mit ihr die Mehrheit will das nicht.


5. Heute verliert v.a. der Mittelstand - er leidet am meisten unter der Umverteilungslawine. Die Reichen können eher ausweichen, die Armen profitieren immer mehr von der Umverteilung, und der Mittelstand, zu dem ich auch gehöre, bezahlt die Zeche. Das Absinken des Mittelstandes ist es, was uns Sorgen bereiten muss. Die NZZ hat hierzu kürzlich eine interessante Analyse publiziert.


6. Die heutige Schweiz mit ihren sozialen Errungenschaften möchte niemand missen. Aber wir haben einen guten Stand erreicht und brauchen nicht immer mehr davon. Denn bezahlen muss zuletzt immer der Mittelstand.
16.03.2011 15:24:52
Peter Gubler
Lieber Herr Bourgeois, da sind wir offenbar anderer Meinung. Ich denke, in einem System wie der Schweiz, wo jeder und jede (Stimmberechtigte) im Rahmen der direkten Demokratie Einfluss auf den politischen Rahmen, die politischen Inhalte und die politischen Prozesse nehmen kann, ist eine Übereinstimmung von BürgerIn und Staat durchaus gegeben. Der Staat macht nichts, was nicht die Bürger mit den erwähnten direktdemokratischen Mitteln steuern könn(t)en. Ich identifiziere mich mit diesem Staat, ohne dass ich deswegen meine Eigenschaft als Individuum aufgeben müsste. Dass Sie hierzu gleich den Kommunismus und Sozialismus ins Feld führen, ist doch eher enttäuschend und zeigt, dass Sie um jeden Preis die Linke verunglimpfen wollen (die notabene im Kantonsrat Zürich niemals die Mehrheit hatte, also für die von Ihnen angeführten Missstände nicht verantwortlich gemacht werden kann). Meiner Ansicht nach werden Gräben eher durch das liberale Staatskonzept aufgerissen, welches auf einen sogenannten Nachtwächterstaat hinzielt, der sich praktisch ausschliesslich auf den Schutz des Eigentums und der Freiheit beschränkt. Der heutige Sozialstaat wäre am Ende, die Gesellschaft würde sich in Gewinner und Verlierer aufteilen, die heutige Schweiz mit ihren sozialen Errungenschaften wäre am Ende. Ich möchte das nicht.
16.03.2011 11:15:16
Marc Bourgeois
Sehr geehrter Herr Gubler

Danke für Ihren Beitrag! Es gibt (und v.a. gab) tatsächlich Gesellschafts- und Wirtschaftsordnungen, die die Bürgerinnen und Bürger nicht primär als Individuen, sondern als Teil des Staates sehen. Der Sozialismus und Kommunismus gehörten dazu – der Liberalismus grenzt sich just in diesem Punkt von diesen Systemen ab.

Zitat Wikipedia: „Im Zentrum der politischen Philosophie des Liberalismus steht das Individuum, dessen Freiheit zu sichern und verteidigen die oberste Aufgabe des Staates sei. Die individuelle Freiheit ist nach liberaler Überzeugung die Grundnorm und Basis einer menschlichen Gesellschaft, auf die hin der Staat und seine politische wie wirtschaftliche Ordnung auszurichten seien. Wo die Freiheit des Einzelnen berührt wird, habe jede, auch die staatliche, Gewalt zu (…). Dem Einzelnen solle durch sein Mehr an Freiheit auch mehr Verantwortung für sich selbst übertragen werden. Des Weiteren steht eine liberale Weltanschauung für den freien Wettbewerb in der Wirtschaft und richtet sich somit im Allgemeinen gegen ausufernde staatliche Regulierung. Der Liberalismus steht im Gegensatz zum Totalitarismus und gilt in der westlichen Welt oftmals als Voraussetzung für eine moderne, pluralistische Demokratie. (…)Im Unterschied zum Anarchismus lehnt der Liberalismus den Staat nicht ab, sondern sieht im Staat den Garanten für Freiheit und Eigentum.“ (Quelle: Wikipedia).

Leitziel des Liberalismus ist die Freiheit der einzelnen Menschen. In einer liberalen Gesellschaftsordnung bilden die Bürgerinnen und Bürger zwar "die Gesellschaft", aber niemals "den Staat", wie Sie schreiben. Sie vergessen überdies, dass die von Ihnen genannten Staatsleistungen (Infrastruktur, ÖV, Schulen usw.) mehrheitlich von FDP-Politikern aufgegleist wurden. Ohne FDP gäbe es bspw. keinen ZVV.

Nun ist es aber so, dass der Staat die Tendenz hat, neue Aufgaben an sich zu reissen, die keineswegs genuine Staatsaufgaben sind. Um seine Stellung zu sichern, geht er dabei so weit, dass er private Konkurrenz fast verunmöglicht. Ein gutes Anschauungsbeispiel liefern hier die Kinderkrippen, die – obwohl gesellschaftlich erwünscht – kaum privat angeboten werden können, da der Staat zu hohe Hürden setzt.

Um zu sehen, wohin es führt, wenn der Staat immer mehr Aufgaben an sich reisst, müssen wir gar nicht nach Griechenland schauen – ein Blick in unsere Nachbarländer genügt. Früher oder später lassen sich diese Leistungen nämlich nicht mehr finanzieren, und der Staat lebt auf Pump künftiger Generationen. Ein Baby, das heute in den USA geboren wird, hat bereits 643‘178 $ Schulden, wenn die nicht ausgewiesenen Verpflichtungen aus der Altersvorsorge und dem Sozialwesen berücksichtigt werden. Und wir steuern in dieselbe Richtung: Seit ich geboren wurde, haben sich unsere gesamten Staatsschulden verzehnfacht. Kein Wunder – seit ich im Gemeinderat tätig bin, hat die Linke bei KEINER EINZIGEN Vorlage gespart, und dies bei mehreren hundert Abstimmungen. Hier wird Politik zugunsten von Staatsangestellten und Staatsabhängigen auf dem Buckel künftiger Generationen gemacht. Und es werden künstlich Staatsabhängige geschaffen, um auch künftig über die Stimmen zu verfügen, diese perspektivlose Politik weiterzubetreiben.

Ein Musterbeispiel ist die vorliegende Wohnungsfrage: Indem der Mittelstand über den Durchlauferhitzer „Staat“ einer ausgewählten Gruppe desselben Mittelstands Wohnungen mitfinanziert, wird keine einzige Wohnung und schon gar keine Gerechtigkeit geschaffen. Aber es werden Staatsabhängige geschaffen. Wohnungen, insbesondere günstige Wohnungen, kann es nur durch eine Angebotserhöhung geben. Leider verhindert die Linke aber regelmässig Wohnbauten, wenn sie von privater Hand erstellt werden.

Ein solches Gebaren ist verantwortungslos und zeigt, dass man den Graben zwischen „dem Staat“ und „der Gesellschaft“ gar nicht erst aufreissen muss – er liegt längst offen da. Ich reiche die rote Karte deshalb gerne dorthin weiter, wo sie auch farblich besser passt: an die linken Parteien.


PS: Dass man diese anders sieht, wenn man selber in irgendeiner Form vom Staat lebt, ist naheliegend, aber im Blick auf künftige Generationen trotzdem unverzeihlich.
11.03.2011 19:10:41
Peter Gubler
Lieber Herr Bourgeois, mag sein, dass wir bis Ende April für den Staat arbeiten. Aber Sie vergessen etwas wichtiges: Die Bürgerinnen und Bürger sind der Staat. Und dieser Staat stellt uns eine erstklassige Infrastruktur, herausragenden öffentlichen Verkehr, gute Schulen etc. zur Verfügung. Das kostet eben. Ihr Versuch, einen Graben zwischen Bevölkerung und Staat aufzureissen, erinnert mich stark an eine andere Partei, die dies mit der Verunglimpfung der 'Classe politique' seit Jahren betreibt. Für diese Polemik verdienen Sie die rote Karte, gewiss jedoch nicht die Wahl in den Kantonsrat.
11.03.2011 15:53:31
Käuzchen
Einen Tag später hat auch der Tagi dasselbe herausgefunden: http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/So-steigen-die-Mieten-noch-mehr/story/13800573
03.03.2011 07:02:37
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