Grundsätzlich Tempo 30 für alle Verkehrsteilnehmer in der Stadt Zürich?
Veröffentlicht am 28.08.2013 von Marc Bourgeois | 1 Kommentar(e)
Heute hat der neue Polizeivorsteher Richard Wolff im Auftrag des Zürcher Stadtrates zahllose neue Tempo-30-Abschnitte auf Durchgangsstrassen verfügt – nicht zu verwechseln mit Tempo-30-Zonen in Wohnquartieren. Sie lebt damit – völlig frei von allen Fakten – nur noch ihre rot-grüne Verkehrsreligion aus.
Unter den neuen Tempo-30-Abschnitte befinden sich v.a. grössere Strassen wie der Bleicherweg, das Bahnhofquai, die Hegibachstrasse oder die Saatlenstrasse. Zudem hat die rot-grüne Ratsmehrheit am vergangenen Mittwoch beschlossen, dass weitere kommunale Durchgangsstrassen mit Tempo 30 belegt werden sollen.
Der Vorwand: Lärmsanierung. Dazu ein paar Fakten:
- Mit Tempo 30 auf grösseren Strassen „verpufft“ die Wirkung der Tempo 30-Zonen in Wohnquartieren.
Der Verkehr wird regelrecht in die Wohnquartiere gedrängt.
- Tempo 30 behindert nicht nur den Individualverkehr, sondern auch den ÖV.
Dies bestätigt die VBZ in ihrer Studie zum Liniennetzplan 2030. Tempo 30 verlangsamt den ÖV um 14%, zusammen mit Mischverkehr und Langsamverkehr gar um 44%. Siehe Grafik rechts. Damit werden Gewerbe und Wirtschaft weiter vor die Stadttore gedrängt, insbesondere ins Glatt- und Limmattal, und Vor-Ort-Dienstleistungen werden teurer. Die VBZ hat die geplanten Tempo 30-Abschnitte deshalb akzeptiert, weil ihr im Gegenzug Bevorzugungsmassnahmen wie separate Busspuren und vermehrte Priorisierung bei Lichtsignalen angeboten wurden, womit sich gewisse Verzögerungen auffangen lassen. Dass diese Massnahmen den MIV weiter torpedieren, dürfte klar sein.
- Tempo 30 bringt kaum weniger Lärm.
Bei einer wechselseitigen Anordnung von Parkplätzen durch das Stop-and-Go sogar mehr Lärm. Grundsätzlich führt Tempo 30 in der Theorie zu einer Reduktion des Lärms um ca. 3dB. Das entspricht zwar akustisch einer Halbierung der Verkehrsmenge, aber mitnichten des Verkehrslärms (dazu bräuchte es 10dB). Zum Vergleich, wie wenig das ist: Wenn ein Tram über Rasengitter statt über Asphalt rollt, nimmt der Lärm um satte 5dB ab. Das Argument des Verkehrslärm ist damit ein weiterer Vorwand, um die rot-grüne Verkehrsideologie umzusetzen. Siehe auch die beiden Infoboxen rechts.
- Der ÖV ist der grösste Verursacher von „Spitzenlärm“.
Aufgeweckt wird man aber nachweislich nicht wegen eines Grundlärms, sondern wegen Lärmspitzen. Paradoxerweise werden die Massnahmen aber nur dort umgesetzt, wo sie den ÖV nicht zu sehr stören. Beim MIV dagegen wird keine Rücksicht genommen.
- Bundesrechtlich ist das Vorgehen fragwürdig.
Der Gesetzgeber hat nicht nur eine Lärmschutzverordnung (mit weichen Kriterien und Ausnahmen) erlassen, er hat auch festgelegt, dass innerorts GRUNDSÄTZLICH Tempo 50 gilt. In der Stadt Zürich wird künftig aber nur noch AUSNAHMSWEISE Tempo 50 gelten.
- Ungleichbehandlung von ÖV und Autoverkehr.
Das Wirtschaftlichkeitskriterium, das die LSV u.a. für Massnahmen wie Tempo 30 zwingend vorschreibt, wurde von der Stadt Zürich bezogen auf die Kosten für Private (durch Verzögerung des Individualverkehrs) und die Umsetzungskosten der Massnahmen gemäss Stadträtin Nielsen nicht geprüft, wie sie auf Anfrage in der Kommission erklärte. Sie hält dies auch nicht für notwendig. Abgeklärt wurden nur die Mehrkosten für den ÖV. Für jeden neuen Tempo 30-Abschnitt braucht es zudem ein Gutachten.
- Die Massnahme ist ineffizient.
Gemäss städtischen Angaben sind 130‘000 Personen von Lärmüberschreitungen betroffen. Mit den getroffenen Massnahmen wird nur rund ein Zehntel entlastet.
Aber was interessieren Fakten, wenn man seine rot-grüne Verkehrsreligion so schön auf dem Buckel von Wirtschaft und Bevölkerung ausüben kann. Immerhin geniessen wir ja Religionsfreiheit...
PS: Wenn Sie auf einer Tempo 50-Strecke, auf der ab 22 Uhr Tempo 30 gilt, um 22:01 mit 51 km/h geblitzt werden, verlieren Sie zwingend Ihren Fahrausweis. Dagegen sind die Bestimmungen in Deutschland recht harmlos...